Meine Großeltern hatten zwei Zimmer in der Wohnung, ein großes und ein kleines. In dem kleinen Zimmer, das ganz hinten in der Wohnung war, noch hinter dem großen Zimmer, da schliefen sie. Außer dem Bett stand hier das Klavier und es gab eine kleine Kochecke. Durch eine Durchgangstür war das kleine Zimmer mit dem großen Zimmer verbunden, dem Wohnzimmer. Hier stand auch ein relativ großer Kohleofen, der beide Räume beheizte. Es gab zwei braune Kommoden, eine Glasvitrine und einen runden Esszimmertisch mit vier Stühlen und Sesseln. Ganz auf der rechten Seite des Zimmers stand noch ein weiterer großer Sessel und daneben ein kleiner Tisch mit einer Lampe und einem Radio. Der Sessel stand direkt gegenüber von der zweiten Tür des großen Zimmers, ganz am Kopfende des ellenlangen Flurs. Von hier aus konnte man bis ganz nach vorne zur Wohnungstür sehen. Als Kind saß ich oft in diesem Sessel, las die Bücher meiner Mutter oder hörte Radio. Selbst bei geschlossener Tür hörte man von hier aus die Schritte auf dem Flur. So wusste ich immer, wer nach Hause kam. Wenn mein Opa die Wohnungstür aufschloss, kam er mit seinem Spazierstock den langen Gang entlang. Er ging ganz langsam und ich hörte das Geräusch seinen Stocks auf dem Boden des Flurs: Tock, tock, tock.
Dann wusste ich immer: »Ah, jetzt kommt der Opa nach Hause.«
Meine Oma hingegen war eine ganz schmale, zierliche Person. Wenn sie nach Hause kam, waren ihre leichten, vorsichtigen Schritte gut von denen meines Opas zu unterscheiden. Manchmal passte sie auf meinen Bruder und mich auf, wenn meine Mutter in die Stadt ging, um Einkäufe zu machen und uns nicht mitnehmen konnte.
Dann sagte meine Oma immer: »Ich passe aber nur auf die zwei auf, wenn sie in verschiedenen Zimmern sind.« Damit wir uns nicht in die Haare bekamen.
Meine Oma verstand sowieso nicht, wie meine Mutter ständig so lange unterwegs sein konnte, ohne dass sie sich um ihre Pflichten als Hausfrau kümmerte. In ihren Augen hatte eine Hausfrau daheim zu sein, wenn die Familie zu Hause war und Hunger hatte. Manchmal schrieb meine Mutter Zettel wie »Essen im Kühlschrank« oder »Komme bald wieder«. Wenn meine Oma das sah, nahm sie den Zettel und schrieb darunter: »Seid's alle verrückt!«