Geld spielte bei den großen Konzernen häufig keine Rolle, für Werbung wurden Etats rausgehauen bis zum Gehtnichtmehr. Für eine Kampagne mit dem Titel „Go West" schickte eine Zigarettenfirma direkt drei Fotografen los nach Amerika, jeweils mit einem kompletten Team mit Fotograf, Stylistin, Leuten von der Werbeagentur und Leuten von dem Tabakkonzern, buchten in Amerika noch Models, schickten drei verschiedene Fotografen in drei verschiedene Ecken des Landes und wählten am Schluss nur eine der drei Kampagnen aus, während der Rest in der Schublade verschwand. Nur ich blieb leider bei solchen Projekten alleine im Studio in Hamburg. Denn extra noch einen Assistenten mit nach Amerika zu fliegen, das war dann auch wieder nicht drin im Etat.
Jan war wieder auf einem dieser Jobs unterwegs, um irgendwelche Trucks auf irgendwelchen Highways zu fotografieren und ich saß am Schreibtisch in dem verlassenen Loft und war unzufrieden. Mir stand eine Woche Studiohüten bevor und ich war ganz alleine mit meinen Gedanken. Das Studio zu hüten, bedeutete rumzusitzen und sich zu langweilen. Nur ab und zu klingelte mal das Telefon und ich hatte die rühmliche Aufgabe den Anrufenden mitzuteilen, dass Jan nicht da war. Schon eine Weile lang dachte ich über mein Dasein als Assistenzfotograf nach. Natürlich, ich hatte eine ganze Menge gelernt. Ich war dankbar über die Möglichkeit. Zu sehen, wie Werbefotografie funktionierte, das war mir ja wichtig. Aber so wahnsinnig zufrieden war ich in letzter Zeit nicht mehr gewesen. Viel mehr als Umbauen, ins Labor fahren und Studiohüten war eben auch nicht drin und ich hatte das Gefühl auf der Stelle zu treten. Sollte ich lieber versuchen, mich selbstständig zu machen? Oder war diese Arbeit vielleicht doch nicht das Richtige für mich? War es vielleicht doch die Fotografie generell, mit der ich haderte? Das schrille Klingeln des Telefons riss mich aus meinen Gedanken und hallte unter den hohen Decken des Lofts wieder.
»Atelier Jan Paulsen«, meldete ich mich und sagte routiniert in den Hörer: »Der Jan ist gerade leider nicht da.«