Das Duplo-Mädchen

Zum Glück gab es regelmäßig Jobs, auf denen ich dabei sein konnte, wenn Jan in Hamburg war. Das unterschiedlichste Zeug im Studio und außerhalb. Ich erinnere mich noch gut an einen Job mit dem Duplo-Mädchen. Das ganze Branding von Duplo war ein sehr prägnantes Rot-Weiß und für eine Werbekampagne hatten sie eine Schülerin mit langen roten lockigen Haaren gefunden. Jetzt stand sie ganz den Farben entsprechend in einem roten Kleid und einer weißen Bluse bei uns im Studio vor der Kamera. Wir bedauerten sie so, weil sie die ganze Zeit Duplo essen und fröhlich gucken musste. Aber sie aß die Duplos nicht wirklich, das ging ja gar nicht. So wäre sie uns ja nach einer Stunde wegen Schlecht-Seins ausgefallen. Sie biss immer nur von einem Duplo ab und spuckte dann in einen Eimer aus, der unter ihr stand. Nur beim finalen Fotografieren musste sie dann auch mal eins essen. Der Job von Ferrero kam relativ kurzfristig, aber es lief alles soweit easy. Wir bauten das Set auf, ich kümmerte mich um die Lampen und bereitete die Kamera vor, Jan machte die Polaroids und auch das Shooting selbst ging flüssig und ohne Übelkeitsanfälle über die Bühne.

Duplo-Maedchen

Das Mädchen, das die ganze Zeit über immer tapfer von ihren Duplos abgebissen hatte, fuhr nach dem Job direkt in die DDR, weil sie ihre Oma besuchte, während ich die Filme noch ins Labor brachte. Hamburg hatte eine ganz andere Infrastruktur als ich es aus Kassel oder Niederbeißheim gewohnt war, wo wir vier Tage lange auf die entwickelten Filme warten mussten. Jan hatte direkt in Hamburg mehrere Fachlabore, mit denen er zusammenarbeitete und in einem davon lieferte ich an diesem Abend unsere Filme ab. 
»Hier«, sagte ich, »Auftrag von Jan Paulsen.« 
Wie immer wurde vorher beim Fotografieren ein Film markiert, den ich als erstes abgab. 
»Von dem Film einen Clip«, wies ich das Labor an und sie wussten, was zu tun war. 
Nur ein Stück des Diafilms wurde in der Dunkelkammer abgeschnitten und entwickelt. Das waren vielleicht bis zu 10 Aufnahmen, die ich bereits nach eineinhalb Stunden wieder abholen konnte. Jan schaute sich den Clip mit der Lupe an, um so nochmal sicher zu gehen, dass alles in Ordnung war. Jederzeit konnte es zu leichten Abweichungen in der Belichtung kommen. Vielleicht war das Licht irgendwo ausgefressen, das Polaroid hatte doch etwas anders reagiert als die Filme oder eine Blitzröhre hatte während des Shootings eine Macke und nicht die volle Leistung gebracht und wir hatten es nicht bemerkt. Das konnte immer passieren. 
Dann gaben wir dem Fachlabor die Anweisungen »Okay, alle Filme mit einer drittel Blende mehr belichten« und die restlichen Filme wurden entsprechend angepasst, also gepusht und entwickelt. So konnten wir Fehler vorbeugen. 

Duplo-Ma_dchen-Test

Was wir nicht verhindern konnten, war das, was bei der Entwicklung der Duplo-Filme passierte. Am nächsten Morgen bekamen wir den Anruf: Eine Maschine war im Labor hängengeblieben und die ganzen Filme waren am Arsch. Wir mussten das Shooting wiederholen. Das war natürlich scheiße und teuer. Wir brauchten neue Filme, wir brauchten das ganze Team noch einmal im Studio und wir brauchten noch einen Tag Zeit. Das Duplo-Mädchen war in der DDR und Ferrero tobte. 
»Machen Sie, was Sie wollen«, hieß es, »Übermorgen müssen wir das auf dem Tisch haben.« 
Wir telefonierten los, holten das Team ins Studio und schafften es auch irgendwie das Mädchen aus der DDR wieder nach Hamburg zu kriegen, wo sie wieder stundenlang glücklich lächelnd von Duplos abbeißen musste. Dann verteilten wir die Filme auf zwei Labore, um auf der sicheren Seite zu sein und lieferten alles am nächsten Tag bei Ferrero ab. Aber der Schaden war schon entstanden. Damals war das der Genickschlag für einen Fotografen. Von Ferrero haben wir nie wieder einen Job gekriegt. Bei so vielen Agenturen und so vielen Fotografen war man da raus. Ganz egal, wer daran Schuld war. Das interessierte die nicht. Null.