Der rote Faden

Kapitel 6

Manche Dinge sind schwer zu entscheiden, andere nicht.

Teil 1

Entscheidungen

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Ich: »Ich glaube heute haben viele das starke Gefühl, dass sie etwas tun, aber sich eigentlich ganz anderes verwirklichen wollen. Dass es beruflich vielleicht in eine komplett andere Richtung gehen sollte. Weil man ja immer gesagt bekommt, man könne ja alles tun und hätte ja alle Möglichkeiten in der Welt.«

Vater: »Was es eher schwieriger als leichter macht.«

Ich: »Man könne sich ja komplett selbst verwirklichen, egal was man tut.«

Vater: »Was auch ein Quatsch ist.«

Ich: »Was absoluter Unsinn ist und für viele Menschen natürlich auch nicht stimmt. Aber es wird eben suggeriert, man könne alles machen. Und das führt dazu, dass viele Menschen etwas tun und gleichzeitig das Gefühl haben ›Ich kann ja alles machen. Geht das nicht gerade 180° in die komplett falsche Richtung?‹ Ist das ein Gefühl, das irgendwie mal aufkam bei dir?«

Vater: »Ne. Also da kann ich sagen, eigentlich nicht. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich in meinem Leben etwas ganz anders hätte machen müssen. Das einzige, womit ich mich immer wieder - na, wie soll ich sagen - rumgeschlagen habe oder rumgequält habe, war so die, äh... Die... Na, wie soll ich das sagen... 
Auf der einen Seite die Fotografie und auf der anderen Seite die Musik. Das war immer irgendwie etwas, bei dem ich immer gedacht habe, das eine schließt das andere quasi aus. Also das heißt, ich habe Phasen gehabt, da wollte ich viel lieber nur Musik machen und die Fotografie fiel mir auf den Wecker. Zum Beispiel als ich beschlossen hatte, ich habe die Nase voll von Kassel, ich muss weg aus Kassel. Ich war da noch bei Wagner auf dem Rittergut und habe Werbefotografie gemacht. Ich hatte lange Geld zusammengespart und mir eine entsprechende Kameraausrüstung gekauft. Eine Mamiya, die damals schweineteuer war. Aber dann kam wieder eine Phase, wo ich die Schnauze voll hatte. Von Wagners Art und von dieser ganzen Werbescheiße. Ich wollte nichts mehr mit der Fotografie zu tun haben. Ich wollte lieber wieder mehr Musik machen. Also habe ich mein ganzes Fotozeug verkauft und habe mir einen Bass geholt. 
›Das hat alles keinen Sinn‹, habe ich beschlossen. ›Ich mache jetzt was ganz anderes.‹ 
Dann hab ich alles verkauft, was ich so hatte: Auto, Möbel, Fotozeug hatte ich keins mehr, bis auf meine kleine 35mm Minox. Den Bass hab ich behalten. Und dann bin ich mit einer Matratze, einem Koffer und meinem Bass nach München gezogen und habe tatsächlich eine Erzieherausbildung angefangen. Also solche Sachen (lacht). Da war ich immer so ein bisschen hin- und hergerissen. 
Wenn die Stimmung wieder mal ein bisschen mehr in Richtung Musik hinwogte, habe ich wieder ein bisschen mehr damit gemacht und dann irgendwann hab ich gedacht: ›Hat ja keinen Zweck. Musst ja sehen, dass du irgendwie Geld verdienst.‹
Weil mit Musik Geld zu verdienen, war für mich ja gar nie irgendeine Möglichkeit. Ich hatte ja nie die Fähigkeiten, um damit wirklich etwas Professionelles machen zu können. Das hab ich damals zwar noch nicht so gewusst, aber ist mir natürlich schon irgendwo klar gewesen. Je mehr sich dann auch dieser ganze Markt entwickelt hat, umso klarer wurde mir das auch nach und nach. 
Aber es war immer so, dass ich gehofft habe: ›Oh, es wäre doch wirklich gut, mit Musik irgendwas machen zu können oder mit Musik oder irgendetwas, was mit Musik zu tun hat, Geld zu verdienen.‹ 
Und dann hatte ich wieder Phasen, wo ich gedacht habe: ›Oh, mit Musik, das hat ja überhaupt keinen Sinn. Fotografie ist doch der viel bessere Weg.‹«

Ich: »Dann war aber Fotografie schon der sicherere Hafen und das Handwerk, das einem den Broterwerb sichert?«

Vater: »Ja, das hat sich dann schließlich irgendwie ergeben, dass es realistischer war, mit der Fotografie und dem, was ich mit der Fotografie kann, Geld zu verdienen. Das war letztendlich der realistischere Weg.«

Ich: »War die Musik dann der idealistischere Weg? Also, ich will das eigentlich machen, aber ich glaube, damit kann ich kein Geld verdienen, aber es macht mir mehr Spaß?«

Vater: »Das hat immer geschwankt. Als ich dann z.B. in München war, habe ich auch bald gemerkt, dass es mir da überhaupt nicht gefiel. Dass mir auch die Fotografie fehlte. Die Ausbildung zum Erzieher ließ ich recht schnell wieder, arbeitete Schicht bei der Post und machte mit anderen ein bisschen Musik, bis ich an Silvester dann einen Freund in Hamburg besuchte. Berend und ich unterhielten uns und ich erzählte ihm, wie scheiße es in München war und dass ich nicht wusste, wie es weitergehen soll. 
Da schlug er mir vor: ›Komm doch hier her. Wenn du wieder als Fotograf arbeiten willst, in Hamburg findest du bestimmt was. Du kannst erstmal hier bei mir wohnen, das ist kein Thema. Also wir haben Platz.‹ 
Also packte ich meine Sachen, als ich wieder in München war und fuhr mit meiner Matratze, meinem Koffer und meinem Bass erstmal nach Kassel. Mehr hatte ich nach wie vor nicht. In Kassel hab ich ein paar Sachen geregelt, kaufte mir ein sehr billiges gebrauchtes Auto und überlegte, wie es in Hamburg weiter gehen soll. Außer Berend und seiner Frau Joan kannte ich ja niemanden. 
Als ich in Kassel zufällig einem Bekannten erzählte, dass ich vorhatte, in Hamburg als Fotograf Fuß zu fassen, sagte er zu mir: ›Weißt du was, ich kenne einen Fotografen in Hamburg. Jan Paulsen, den kenne ich ganz gut. Wenn du in Hamburg bist, geh doch mal hin und bestell ihm einen schönen Gruß.‹ 
Kurz darauf packte ich dann wieder meinen Koffer mit ein paar Klamotten, Schlafsack, meine kleine Minox und meinem Bass, verstaute alles in meinem Auto und zog zu Berend nach Winsen an der Luhe, knapp 40 Kilometer außerhalb von Hamburg.«

Fotografie_Entscheidung-1
Bass_Entscheidung2


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